Wurftauben-Schießanlage und Bodendeponie in Lückhausen, die Sicht der Umweltverbände

13. Februar 2021 | Artenschutz, BUND Kreis Lippe, Lage, Landwirtschaft, Lemgo, Lippe, Stellungnahmen, Bodendeponie Lage

Sondermülldeponie, Wallanlage, Lärmschutz, Schießsportanlage auf internationonalem Niveau und Millionen von Euro. BUND, NABU und die Fachstelle Umweltschutz und Landschaftspflege des Lippischen Heimatbundes erörtern Ihre Sicht auf das geplante Großprojekt.

Wurftauben-Schießanlage und Bodendeponie in Lückhausen, die Sicht der Umweltverbände Wurftauben-Schießanlage und Bodendeponie in Lückhausen, die Sicht der Umweltverbände

Überlegungen und Fragen zu der „Sanierung und Modernisierung der Wurfscheibenanlage in Lage-Lückhausen“.

Die Fachgruppe Umwelt und Naturschutz des Lippischen Heimatbundes e.V., der NABU Kreis Lippe und die BUND Ortsgruppe Lage und Kreisgruppe Lippe äußern sich zu dem Projekt.

Die drei Vereine und Gruppen betonen, nichts grundsätzlich gegen jagdliche Schießübungen, den Schießsport selbst und erst recht nichts gegen Sanierung von Altlasten zu haben. Allerdings sind sie als „Träger öffentlicher Belange“ aufgefordert, zu konkreten Vorhaben dieser Art Stellung zu beziehen – und hier gibt es einige Bedenken:

Das Gift im Boden – die Giftmülldeponie:

Das Areal in Lückhausen ist stark kontaminiert durch den Betrieb als Schießplatz seit 1975, laut Antragsteller u.a. mit 90 Tonnen Bleischrot und 1 Million zerschossene Wurfscheiben (nur bis 1995) verteilt in mehr als 21.500 Kubikmetern vergiftetem Boden. Im Auftrag des Umweltministeriums NRW wurde die Anlage 2015 untersucht, das Ergebnis: Höchste Gefahren-Kategorie 4 für Menschen und Pflanzen. Die Bleikonzentration im Boden liegt bis zu 90.000 % über dem zulässigen Grenzwert.

Laut Antragsteller ist das Material so giftig, dass „eine externe Entsorgung des vorhandenen Bodenmaterials auf normalen Deponien nicht möglich ist“.

Das heißt, die Entsorgung ist nur auf einer Sondermüll- oder Giftmülldeponie der Klasse III erlaubt.

In Lückhausen soll das Gift aber laut Antragsteller vor Ort verbleiben und in einer „Sicherungskassette mit Entgasungsanlage“ eingebaut werden. Die Antragsteller sagen, das ist „die einzig tragbare Möglichkeit für den Betreiber“. Das heißt, die Antragsteller betrachten die für sie selbst wirtschaftlich günstigste Lösung als einzig mögliche. Die Umweltverbände halten das für falsch. Sie glauben, dass eine Entsorgung auf einer geeigneten Giftmülldeponie die bessere Alternative ist.

Die Wallanlage darüber – eine Z2 Bodendeponie

Der eingeschlossene giftige Boden soll unter einer Wallanlage mit 23 Metern Höhe und 250 Metern Länge verschwinden. Die Wallanlage, die als Lärmschutzwand und Auffangeinrichtung für Bleischrot beim Schießbetrieb dient, soll mit Boden der Kategorie Z2 aufgefüllt werden. Z2 Boden darf u.a. enthalten: Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber. Laut Abfallgesetz ist nur der „eingeschränkte Einbau mit definierten technischen Sicherungsmaßnahmen“ erlaubt, nicht erlaubt ist der Einbau in „in festgesetzten oder geplanten Trinkwasserschutzgebieten“

Das Genehmigungsverfahren

Nach Ansicht der Antragsteller ist die Deponierung von 90 Tonnen Blei in 21.000 Tonnen vergiftetem Boden unter einem Wall von 500.000 Kubikmetern Z2 Boden – KEINE Deponie

.. sondern eine „Depositionsfläche“ unter einer „Wallanlage“ zur „Sanierung und Modernisierung einer kombinierten Wurfscheibenanlage“.

Nach Ansicht der Umweltverbände handelt es sich hier um drei verschiedene Projekte:

  • Ein Genehmigungsverfahren für eine Sonderabfall-Deponie,
    wenn der belastete Boden vor Ort bleiben soll.
  • Der Neubau einer Schießanlage
    Die bestehende Anlage wird vollständig zurückgebaut und sehr viel größer NEU gebaut auf 12 ha Fläche.
  • Eine Bodendeponie für Boden der Klasse Z2
    in der im Zeitraum von 8 Jahren ca. 500 000 Kubikmeter Boden der Klasse Z2, u.a. Bauschutt u.ä. eingebaut werden sollen.

Aus Sicht der Umweltverbände ist es fragwürdig, ob die Errichtung einer Schießanlage an dieser sensiblen Stelle (Landschaftsschutzgebiet, Nähe von Trinkwassergewinnungsanlagen etc.) nach aktueller Rechtslage überhaupt genehmigungsfähig wäre.

Die Bauphase

In den vorgelegten Unterlagen wird die Aussage gemacht, dass der Schießbetrieb auch während der Bauphase von 8 Jahren aufrecht erhalten bleiben soll.
Sicherheitsmaßnahmen während der 8 Jahre, Schallschutz währenddessen, Umweltgifte im Deponiekörper durch Schießbetrieb – werden vom Antragsteller nicht dokumentiert.

Wieviel Lastwagen werden die Anlage in 8 Jahren anfahren?

500.000 Kubikmeter Boden entsprechen ca. 750.000 Tonnen (Steinerdegemisch 0-55 mm) verteilt auf z.B. 15 Tonnen pro LKW (3-Achs-Kipper). Das wären insgesamt ca. 100.000 LKW-Fahrten über die Straßen von Hagen, Lieme und Hardissen.

Umgerechnet auf 8 Jahre Bauzeit und ca. 250 Arbeitstage im Jahr wären das 50 LKW-Fahrten pro Tag – alle 10 Minuten ein LKW!

Weitere Fragen zu der Bauphase:

  • Sind die Zufahrtsstraßen im jetzigen Zustand geeignet, diesen Verkehr aufzunehmen?
  • Müssen sie vorher erneuert werden, oder nach dem Bau?
  • Wer bezahlt den Straßenbau?
  • Sind die Anwohner über den zu erwartenden Baustellenverkehr informiert?
  • Welches sind die Hauptzufahrtswege?
  • Wo sollen der verwendete Z2 Boden herkommen?

Das Schießen und der Schall

Bisher wird (lt. Homepage des Vereins) an den Wochentagen Mittwoch, Freitag und Samstag jeweils von 14.30 – 18.00 Uhr geschossen, das sind aktuell 10.5 Wochenstunden.

Jetzt wird beantragt, an 6 Wochentagen in der Zeit von 9.00 – 18.00 Uhr zu schießen, das ergibt zukünftig 54 Wochenstunden – eine Steigerung um den Faktor 5,14. Dazu soll an mehreren Wochenenden geschossen werden dürfen, d.h. bis zu 20 Tage hintereinander.

Laut Antrag soll die Anlage genehmigt werden für bis zu 3.800 Schuss pro Tag. Das entspricht, verteilt auf 9 Betriebsstunden 7 Schuss pro Minute, in manchen Disziplinen (Skeet) können es auch 12 Schuss pro Minute sein.

Laut Antragsteller aber „sind bei den auftretenden Schussfolgen keine kurzzeitigen Immissionen mit hoher Impulshaltigkeit zu erwarten.“

Für die Ewigkeit ?

Die Giftmüll-Ablagerung muss im Landschaftsschutzgebiet ewig gegen Verschmutzung des Grundwassers abgesichert werden, damit das giftige Blei nicht in das Grundwasser und die Brunnen gelangt.

Die Fragen:

Wer gewährleistet die Sicherheit für die nächsten Jahrzehnte?

Wie lange halten die eingesetzten Schutzmaßnahmen .. 20 Jahre, 80 Jahre, 180 Jahre ??
Das Klima und die Niederschläge werden sich verändern, der Grundwasserspiegel wird sich verändern, die Beschaffenheit des Bodens wird sich verändern.

Wer ist verantwortlich, falls in 50 Jahren 100.000 Tonnen Erde abgetragen und 23.000 Tonnen giftiger Boden umgelagert werden müssen?

Der Wurftaubenclub Lippe e.V.? Ein Betreiber der Bodendeponie? Der Kreis Lippe, der das Vorhaben auch ohne Zustimmung der Stadt Lage genehmigen kann? Eine Versicherung?

Beim Aufbau der Deponie werden Mio. Euro eingenommen. Die Entsorgung von Z2-Boden ist teuer. Werden aus den Einnahmen Rücklagen gebildet für den späteren Rückbau der Anlage oder für den Fall, dass Blei austritt?

Am Ende ist es eine Frage der Prioritäten – was hat Vorrang:

  • Die ökologisch bestmögliche Entsorgung vergifteter Böden?
  • Die Schonung und der Landschaft und Landwirtschaftsflächen?
  • Die Vermeidung der Gefährdung von Gewässern und Grundwasser, Tieren und Pflanzen?
  • Der Schutz der Anwohner vor jahrelanger Belastung durch LKW-Verkehr und Schießbetrieb?
  • Die sportlichen und jagdlichen Übungsmöglichkeiten für Sportschützen und Jäger?
  • Die wirtschaftlichen Interessen der Antragsteller?

Einwände?

Einwendungen gegen das Vorhaben konnten bis einschließlich 18.02.2021 schriftlich oder elektronisch eingereicht werden

Aktenzeichen: 766.0029/20/10.18
Genehmigungsverfahren nach §§ 16, 6, 10 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) für die zur Sanierung und Modernisierung einer kombinierten Wurfscheibenanlage.

In der Bekanntmachung des Kreises hieß es zum Thema Einwendungen:

"Maßgebend für fristgerechte Einwendungen ist der Eingang der Einwendungen bei den genannten Stellen. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen (§ 10 Abs. 3 Satz 5 des BImSchG). Dies gilt nicht für ein sich anschließendes Gerichtsverfahren. Einwen- dungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

Name und Anschrift der Einwender sollen auf den Einwendungen vollständig und deutlich lesbar angegeben werden. Einwendungen mit unleserlichen Namen oder Anschrift können nicht berücksichtigt werden. Es wird empfohlen, außerdem die Gründe des Einwandes darzulegen. In der Einwendung sollten zudem Angaben zum Grundstück des Einwenders/ der Einwenderin (Straße, Hausnummer) gemacht werden. Die Einwendungsschreiben werden an die Antragsstellerin zur Stellungnahme weitergegeben. Auf Verlangen des Einwenders werden dessen Name und Anschrift unkenntlich gemacht, soweit die Angaben nicht zur Beurteilung des Inhalts der Einwendungen erforderlich sind."

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